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Wie Tax Tech die digitale Wirtschaft auf EU-Ebene vereinheitlichen wird

Von Martin Grote

(24.05.2023)

Martin Grote

Martin Grote
Martin Grote ist Solution Principal, Consulting Services bei der Sovos Compliance GmbH.

Auf dem Weg zu einer funktionierenden digitalen Gesellschaft, muss Europa seine digitalen Silos aufbrechen. Die Marktkräfte allein werden nicht in der Lage sein, die Kluft zwischen diesen Silos zu schließen. Wie konnten auf einem Finanzmarkt, der seit Jahrzehnten auf digitale Innovation setzt, diese Mauern errichtet werden? Die Gründe sind komplex und politisch bedingt, aber die mangelnde Interoperabilität zwischen den verschiedenen Systemen der EU-Mitgliedstaaten ist ein gemeinsamer Nenner. Nun ist Bewegung in die EU-Politik gekommen, um diese Situation durch mehrere Initiativen zu beheben. Die vielleicht wirkungsvollste dreht sich um die Digitalisierung der Steuer.

Das mag zunächst überraschend klingen, ergibt aber Sinn: Die EU, die durch die Pandemie und einen Krieg direkt an ihrer Grenze geschwächt ist, muss ihre öffentlichen Einnahmen sichern und gleichzeitig ihre Wirtschaft stärken. Man muss kein Wirtschaftswissenschaftler sein, um zu erkennen, dass es schwierig ist, den Unternehmen mehr Geld zu entziehen und gleichzeitig zu erwarten, dass sie florieren.

Um eben diesen Spagat zu schaffen, hat sich Europa einen Trick abgeschaut, der sich andernorts bereits bewährt hat - und zwar in Lateinamerika. Seit mehr als einem Jahrzehnt setzen Länder wie Chile, Mexiko und Brasilien sogenannte kontinuierliche Transaktionskontrollen (CTCs) ein, um Lücken in der Steuererhebung zu schließen. Vor der Pandemie - und man könnte auch sagen vor dem Brexit - war Europa politisch nicht bereit, die digitale Echtzeit-Meldung von Transaktionen an digitale Steuerverwaltungsplattformen verpflichtend zu machen. Ein im Dezember 2022 veröffentlichter EU-Vorschlag mit dem Namen ViDA (VAT in the Digital Age) zeigt, wie viel sich seitdem geändert hat, denn er leitet einen radikalen Paradigmenwechsel bei der Durchsetzung des europäischen Umsatzsteuerrechts ein.

ViDA schlägt im Wesentlichen vor, zwischen 2024 und 2028 die elektronische Rechnungsstellung und die zeitnahe Meldung dieser digitalen Rechnungen an die Steuerverwaltungen verbindlich einzuführen. Geschickterweise treibt dieses auf Steuern ausgerichtete Rechtsinstrument aber auch die Standardisierung voran. Bis 2028 müssen EU-Mitgliedsstaaten in der Lage sein, Echtzeit-Rechnungsdaten aus EU-internen Transaktionen zu erfassen und an eine zentrale EU-Datenbank zu melden. Durch die Beseitigung der derzeitigen Beschränkungen für die obligatorische elektronische Rechnungsstellung im Inland und durch die Änderung der Definition einer Steuerrechnung, so dass diese in der Regel digital ist und nicht nur eine enge Ausnahme darstellt, gibt Europa kritischen Geschäftsprozessen zwischen und innerhalb der Mitgliedstaaten einen massiven Schub an standardbasierter Automatisierung.

All diese Initiativen werden vor allem den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in Europa zugute kommen. Große Unternehmen konnten ihre eigene begrenzte Version der Interoperabilität oft mit brachialer kommerzieller Gewalt durch ihre ausgedehnten Unternehmenslandschaften schaffen. Kleinere Unternehmen befanden sich auf der Empfängerseite dieser sehr großen privaten Initiativen, die im Großen und Ganzen ihren Automatisierungsbedarf ignorierten. Die neue Welle von Steuer- und Begleitgesetzen zu CTCs, elektronischer Rechnungsstellung und grenzüberschreitender Interoperabilität wird diese Situation wieder ins Gleichgewicht bringen und damit die Millionen von Kleinunternehmen, die die Grundlage des europäischen Wirtschaftsgefüges bilden, in die Informationswirtschaft katapultieren.

Diese Erkenntnisse führen zu einer interessanten Schlussfolgerung über die Zukunft der Technologiemärkte in der EU und weltweit. Der Begriff "Regtech" wurde erfunden, um Unternehmen zu beschreiben, die spezielle Lösungen für die Einhaltung von Vorschriften in bestimmten Bereichen des Finanz- oder Handelsumfelds anbieten. Wir entwickeln uns nun aber rasch zu einer Welt, in der die meisten digitalen Transaktionen reguliert werden, um ein höheres Maß an Automatisierung und Datennutzung über vorpandemische Silos hinweg zu gewährleisten. Das Anbietersegment, das einen sehr großen Teil dieses Paradigmenwechsels tragen wird, ist die Steuertechnologie. Wir können deshalb davon ausgehen, dass Tax Tech die Steuerwelt im kommenden Jahrzehnt grundlegend verändern wird.

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