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Rückblick auf die 4. Ferd-Konferenz: Rechnungsdatenstandard in Deutschland quo vadis?Von Gerhard Schmidt(20.01.2018) Gerhard Schmidt
„Zugferd und XRechnung bleiben Parallellösungen." „Offenbar verfolgen BMWi und BMI in Sachen eRechnung ganz unterschiedliche Strategien." So die Resonanz der Presse (MittelstandsWiki und eGovernment Computing) auf die 4. Konferenz des Forum Elektronische Rechnung Deutschland (Ferd), die am 11. Januar unter dem Motto „E-Rechnung leicht gemacht – Vollgas voraus mit Zugferd 2.0 und XRechnung" in den Räumen des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) in Berlin stattfand. Wie kommen diese Publikationen zu diesem Urteil? Ist es berechtigt? Haben wir es wirklich mit Parallellösungen zu tun? Wie gravierend unterscheiden sich die Strategien der Ministerien?Begriffs- und KommunikationsproblemeSich unter den aktuell diskutierten Rechnungsdatenformaten zurechtzufinden, ist nicht ganz einfach. Die unterschiedlichen Namen sind offensichtlich: Zugferd, XRechnung, Factur X und CEN-Norm EN16931 für eine Kernrechnung. Doch unterscheiden sich auch die Konzepte, die hinter den Namen stehen? Um das beurteilen zu können, bedarf es eines – nicht ganz einfachen – begrifflichen Rüstzeugs und Wissens. Was genau wird durch das CEN für die Kernrechnung normiert? Welche Freiheiten werden dem Anwender gelassen? Wie schlagen sich diese Freiheiten in XRechnung und Zugferd nieder? Um diese Fragen beantworten zu können, benötigt man die durch CEN definierten Begriffe Core Invoice Usage Specification (CIUS), compliant, fully compliant und conformant (Näheres dazu im Artikel „XRechnung - ein neuer Standard?“). Eine griffige deutsche Übersetzung für all diese Begriffe gibt es bislang nicht. Das Formatthema ist daher nur äußerst sperrig zu kommunizieren. Jemandem in wenigen Sätzen klarzumachen, was die Zusammenhänge zwischen den Formaten sind, ist praktisch unmöglich. Aber genau das ist nötig. Nur wenn die Hersteller rechnungserstellender und rechnungsverarbeitender Software das verstanden haben, können sie entscheiden, was sie implementieren. Softwarehersteller, die das verstehen wollten, waren unter den Konferenzteilnehmern eine ganze Reihe. Ob ihnen das, was sie wissen wollten, auch klar geworden ist, erscheint fraglich, da nicht jeder der Redner sich einer präzisen Begrifflichkeit bediente. Was ist Zugferd 2.0?Die eingangs zitierten Medien beziehen sich bei ihren Feststellungen auf eine Meldung des BMWi am Tag nach der Konferenz. Darin heißt es: „XRechnung und ZUGFeRD 2.0 stehen gleichberechtigt nebeneinander. Es bleibt den Nutzerinnen und Nutzern überlassen, welches Format sie verwenden wollen.“ Und zwar bei der Übermittlung von elektronischen Rechnungen an die öffentliche Verwaltung, die ab 2020 (zumindest auf Bundesebene) verpflichtend wird. Die Verwaltung möchte die Rechnungen gerne im Format XRechnung haben. Doch in der BMWi-Meldung heißt es weiter: „Zudem können in der Wirtschaft bereits etablierte Datenaustauschstandards wie Zugferd gleichberechtigt neben dem Datenaustauschstandard XRechnung verwendet werden, wenn sie – wie Zugferd 2.0 – den Anforderungen der europäischen Norm entsprechen.“ Das Format Zugferd 2.0 ist bislang noch nicht veröffentlicht, wurde aber auf der Tagung vorgestellt. Zugferd 2.0 wurde zusammen mit dem französischen Partnerforum des Ferd, dem Forum National de la Facture Electronique et des Marchés Publics Électroniques (FNFE-MPE) als gemeinsames deutsch-französisches Format unter dem Namen Factur X entwickelt. Mit folgenden wesentlichen Aussagen wurde Zugferd 2.0 vorgestellt:
Ist Zugferd 2.0 nun eine Umsetzung der europäischen Norm oder ist es ein Paket aus fünf Profilen? Beides zusammen geht nicht. Denn von den fünf Profilen sind vier keine Umsetzung der europäischen Norm. Nur das Profil, das die Bezeichnung der Norm im Namen trägt, setzt die Norm tatsächlich auch um. Soll Zugferd 2.0 der Oberbegriff für alle fünf Profile sein, dann ist das, was alle Profile gemeinsam haben, eine kleine Menge an strukturierten Daten entsprechend dem Profil Minimum. Und diese kleine Datenmenge ist weit von der europäischen Norm entfernt. Zugferd 1.0 war als Oberbegriff für seine Profile wesentlich mächtiger, denn es stand für eine vollständige Rechnung aus strukturierten Daten. Zwei Strategien: Eine Format FÜR alle vs. ein Format VON allenDass das BMI und das Ferd zwei grundverschiedene strategische Ansätze für den elektronischen Rechnungsaustausch verfolgen, hat die Konferenz klar bestätigt. Der Ansatz des Ferd: Eine Format für alle Rechnungsempfänger, der Ansatz des BMI: ein Format von allen Rechnungsstellern. Beide Ansätze zusammen können nur dann funktionieren, wenn es nur ein Format gibt, in dem alle Rechnungen verschickt werden. Das ist aber nicht der Fall. Mit der Folge eines Tauziehens zwischen den Vertretern der beiden Strategien. Bei diesem Tauziehen geht es nicht nur um den Umfang der strukturierten Daten sondern auch um die hybride Zugferd-Rechnung. Wird diese von der öffentlichen Verwaltung akzeptiert? Das lässt sich aktuell noch nicht beantworten, da sich die meisten Bundesländer dazu noch nicht eindeutig positioniert haben. Pionier oder Nachzügler beim elektronischen Rechnungsaustausch?Wo stehen wir hierzulande aktuell beim elektronischen Rechnungsaustausch? Mit dieser Frage setzte sich einer der Vorträge auseinander. Gehören wir zu den Pionieren oder zu den Nachzüglern? Zu den Pionieren in Europa gehört Deutschland sicherlich nicht. Da sind eine ganze Reihe von Ländern deutlich weiter. Ein Hinweis, wie schwer wir uns mit der digitalen Transformation des Rechnungsaustauschs tun, sind die beiden neuen Zugferd-Profile für Buchungshilfen. Als Begründung für diese Profile wurde bei der 3. Ferd-Konferenz im September 2016 noch genannt, dass diese Profile für Frankreich unverzichtbar sind und aus Gründen der Einheitlichkeit der Spezifikation mit in Factur X aufgenommen werden, obwohl die Profile für Deutschland keine Bedeutung haben. Das scheint sich inzwischen geändert zu haben. Denn als Hauptargument für die Buchungshilfen wurde nun die verbreitete Forderung aus der Wirtschaft nach diesen Profilen genannt. Teile der Wirtschaft sind offensichtlich von einem Digitalisierungstempo überfordert, wie es vor fünf Jahren bei der Konzeption von Zugferd 1.0 noch für möglich erachtet wurde. Mit der Einführung der Buchungshilfen hat sich Zugferd 2.0 als Gesamtpaket betrachtet von der hybriden Rechnung verabschiedet. Denn die strukturierten Daten der Buchungshilfen sind ja keine vollständige Rechnung. Auch das Zugferd-Prinzip „Eine Ausgangsrechnung für alle ohne bilaterale Absprache“ hat durch die Buchungshilfen in der Praxis eine neue Bedeutung bekommen. Wurden bei Zugferd 1.0 ohne bilaterale Absprachen immer vollständige Rechnungen aus strukturierten Daten verschickt werden, so ist jetzt für diese Rechnungen eine bilaterale Absprache nötig. Ohne bilaterale Absprache funktioniert bei Zugferd 2.0 nur die kleinste Buchungshilfe. ErkenntnisseDie Ferd-Konferenz hat gezeigt, dass sich in Deutschland tatsächlich zwei ganz unterschiedliche strategische Ansätze zur digitalen Transformation des Rechnungsaustauschs gegenüberstehen.
Zugferd und XRechnung können von daher zu Recht als Parallellösungen betrachtet werden. Welche Schlüsse die Hersteller rechnungserstellender und rechnungsverarbeitender Software aus dieser Tatsache ziehen, bleibt abzuwarten. Die CEN-Norm werden sie jeden Fall implementieren. Doch darüber hinaus? © Copyright Compario 2024, Autorenrechte bei den Autoren |
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